3. April 2025 / Aus aller Welt

Ripp-Chic für «Drinnies»? Warum es ein Cord-Comeback gibt

Was ist gerippt und samtig und weckt bei älteren Menschen hierzulande oft Kindheitserinnerungen? Richtig: Cord. Der Stoff hat in jüngster Zeit auch wieder viele jüngere Fans. Wie kommt's?

Cord-Chic beim Entertainer Helge Schneider. (Archivbild von 2011)
von Gregor Tholl, dpa

Woody Allen, Günter Grass, der gewerkschaftlich engagierte Deutsch-Lehrer in den 80ern: Im Klischee sind das typische Cordhosen-Träger. Auch Serge Gainsbourg und Helge Schneider trugen oder tragen lässig Cord - und traditionell tun es Dachdecker und Zimmerleute. 

Doch all diese Menschen spielen wohl eher keine Rolle, wenn der strapazierfähige Stoff derzeit wieder angesagt ist. Nicht nur bei Hosen und Jacken, auch bei Umhänge-, Bauch- und Gürteltaschen etwa. 

«Es gibt Menschen, die assoziieren mit Cord Mathelehrer, denen montags in der ersten Unterrichtsstunde noch das Gelb vom Frühstücksei im Bart hing», schrieb 2018 die heutige «HAZ»-Chefredakteurin Dany Schrader. Das Klischee vom Lehrer in Cordhose oder mit Cordsakko ist hartnäckig.

Der Stil-Experte Tillmann Prüfer erklärte 2019 im «Zeit-Magazin», dass in den 60er und 70er Jahren Cord für Arbeiterklassenflair stand, «als Intellektuelle in ausgebeulten Cordhosen Distanz zu den Eliten zeigen wollten». 

In den 90er Jahren sei Cord dann «fast nur noch an sozialdemokratischen Schriftstellern zu sehen» gewesen. Stichwort Grass, wir hatten das am Anfang. Natürlich trugen auch andere Leute in den 90ern noch Cord - Stichwort Grunge-Look. 

Doch die «Vogue» formulierte einst, Cord sei in den schillernden 80ern irgendwie out geworden. Seitdem galt der Stoff eher als uncool - bis zum Comeback auf Laufstegen vor gut sieben Jahren (etwa bei Marc Jacobs, Prada, Gucci oder Off-White). Inzwischen ist Cord im Mainstream angekommen, etwa populär beim japanischen Modelabel Uniqlo.

Cord als Schutz vor einer unfreundlichen Welt

Doch wenn junge Leute heute Cord schick finden, hat das dann mit einer Glorifizierung der 60er, 70er oder 80er zu tun? Oder folgt das einfach der alten Moderegel «Weiche Stoffe in harten Zeiten»?

Am ehesten Letzteres, findet Diana Weis, Professorin für Modejournalismus in Berlin. «Für die Mode liegt der Reiz des Materials gerade darin, dass es eine interessante Variante zu den überpräsenten Denim-Looks der letzten Jahre bietet.» 

Haptisch gehöre Cord wie etwa Nickistoff, Samt oder der Sweat-Stoff der Jogginghose zu den «depressiven Materialien» - es gehe um den Wunsch nach Schutz vor einer unfreundlichen Welt. «Durch die feste, dicke Stoffqualität eignet Cord sich eher dazu, den Körper zu verhüllen als ihn zur Schau zu stellen.»

Cord ist ein Stoff für Stubenhocker - wie man «Drinnies» mal nannte

Cord habe wie der Jeansstoff Denim einen gewissen robusten Charme, sagt Weis. «Anders als beim Denim gibt es bei Cord auch noch die Assoziation mit der Jagdkleidung und dem Stil des britischen Landadels - es funktioniert also auch bei preppy Looks, vor allem in der Kombination mit Tweed.»

Der Begriff Preppy-Style oder auch Grandma-/Grandpa-Look leitet sich von den schicken Privatschulen namens Preparatory Schools ab, meint also den gediegenen Kleidungsstil, den man sich so an Elite-Internaten vorstellt.

Diana Weis betont: «Die aktuelle Vorliebe für Cord kommt über den Umweg des Interior-Designs zurück in die Mode, schon seit einigen Jahren ist Cord überaus beliebt als Bezugsstoff bei Möbeln - etwa das populäre Ikea-Sofa Jättebo, das standardmäßig mit einem dunkelgrünen Breitcord-Bezug verkauft wird.»

Cord stehe für Gemütlichkeit, Kuscheligkeit und eine Kultur des «Drinbleibens», die sich etwa in der Corona-Pandemie ausbreitete, erklärt Weis. «Die Kaulitz-Brüder sprechen in ihrem Podcast zum Beispiel von "Drinnies", also jungen Leuten, die es sich lieber zu Hause gemütlich machen, statt auszugehen.» Die «Drinnies» haben Konjunktur, es gibt seit dem Corona-Jahr 2020 auch einen beliebten Podcast mit dem Titel von Giulia Becker und Chris Sommer.

Ein bisschen Cord-Historie

Cord hat eine lange Geschichte. Der Ursprung des Stoffs soll schon im alten Ägypten liegen. Die heute bekannte englische Bezeichnung «corduroy» erhielt der Stoff jedoch erst Ende des 18. Jahrhunderts. «Angeblich stammt der Name vom Französischen "corde du roi" (deutsch: Stoff des Königs) ab, um dem Material einen glamouröseren Appeal zu verleihen», erklärte mal die «Vogue». Auf Französisch heißt der Stoff «velours côtelé» (gerippter Samt). 

Adelige liebten Cord früher bei Freizeitaktivitäten. Ab der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde er mit Hilfe der in Manchester entwickelten Webstühle Massenware und günstiger. Nicht zuletzt deswegen trug dann auch die Arbeiterklasse das schlechtwettertaugliche Längsrippen-Material.

Unterschieden wird beim Cord nach der Zahl der Rippen auf zehn Zentimeter Stoff - vom feinen Babycord bis zum groben Breitcord. Heutzutage sieht er oft nicht mehr so schnell gebraucht aus, stattdessen wirkt er meist hochwertig und hat tiefere Längsrillen.


Bildnachweis: © picture alliance / dpa
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