31. Mai 2025 / Aus aller Welt

Nach Gletscherabbruch: Gestauter See läuft ab

Der bedrohliche See, der sich nach dem Gletscherabbruch im Wallis am gestauten Fluss Lonza gebildet hat, läuft langsam ab. Nun schauen alle bange auf die Wettvorhersage.

Rote Barrieren sollen Material zurückhalten, das den Abfluss der Lonza erneut verstopfen könnte.

Im Walliser Lötschental gräbt der gefährlich gestaute Gebirgsfluss Lonza sich inzwischen mehrere Rinnen durch den gigantischen Schuttkegel, der das Flussbett blockiert. «Die Höhe des Sees hinter dem Schuttpegel ist um einen Meter gesunken», berichtete der Kantonsgeologe Raphael Mayoraz bei einer Pressekonferenz in Ferden im Lötschental. 

In dem aufgestauten Wasser wurden schwimmende Barrieren installiert. Sie sollen Schwemmmaterial zurückhalten, damit der Ablauf nicht blockiert wird. Die Wassermenge sei nach Schätzungen von rund einer Million Kubikmeter Wasser auf etwa 800.000 Kubikmeter gesunken.

Das Wasser laufe über den Schuttkegel nur langsam ab, aber das sei gut so, sagte Mayoraz: Damit sinke das Risiko, dass sich der Schuttkegel verflüssigt und das Wasser viel Material ins Tal reißt. Es war eine der größten Sorgen, dass der instabile Schutt teils kollabiert und Fels, Eis und Geröll weiter hinunter ins Lötschental gespült werden. Das Risiko sei gesunken, sagte er. 

Die Gefahrenszenarien 

Die Wetterlage: In den nächsten Tagen ist für mehrere Tage Regen vorhergesagt, dazu kommt die Eisschmelze auf den umliegenden Bergen - das alles kann den Schuttkegel destabilisieren. Damit wächst die Gefahr eines Murgangs. Dabei geraten Fels, Geröll und Schlamm in Bewegung und rutschen talabwärts. Das könnte Gemeinden weiter unten im Tal gefährden.

Der Schuttkegel selbst: Ein Drittel der neun Millionen Kubikmeter, die nach dem Gletscherabbruch im Tal zu liegen kamen, dürfte Eis sein, glauben die Experten. Ob und wann es schmilzt, weiß niemand. Ob sich im Schuttkegel dann Hohlräume bilden und der Kegel einbricht, ist ebenfalls unklar. «Der Kegel ist sehr instabil, es wäre ein großes Risiko, darauf zu gehen», sagte der Geologe. 

Weitere Felsstürze: Auslöser der Katastrophe war der Abbruch von Felsmaterial am rund 3.000 Meter hohen Kleinen Nesthorn. Es stürzte auf den darunter gelegenen Birschgletscher. Unter der Last brach der am vergangenen Mittwoch ab und rauschte mit gigantischen Mengen Eis, Fels und Geröll ins Tal. 

An den Abbruchstellen ist immer noch loses Material. «Das Kleine Nesthorn hat noch nicht seine Mitte gefunden», sagte der Gemeindepräsident von Blatten, Matthias Bellwald. «Der Berg erodiert weiter.» Weil das Gelände so steil ist, können Abbrüche zu weiteren Gerölllawinen führen. 

Die Risikoplanung 

Beim Kraftwerk in Ferden rund sechs Kilometer talabwärts vom Katastrophengebiet wird alles getan, um im Fall größerer Wasser- oder Geröllmengen gewappnet zu sein. Der Betreiber hat das Staubecken teils geleert, um Platz zu schaffen. Die Staumauer hält nach Expertenangaben auch bei größerem Druck. Sollte sich dort viel Wasser sammeln, geht der Alarm los, wenn das Staubecken zu Zweidrittel gefüllt ist, sagte Mayoraz. 

Das gebe den Menschen in den weiter unten gelegenen Gemeinden Gampel und Steg Zeit zu fliehen. Die Ortschaften liegen unweit der Stelle, an der die Lonza in die Rhone fließt. Dort wird der Fluss anders als weiter oben durch relativ enge Betonkanäle geführt, die bei einem Anschwellen schnell über die Ufer treten könnten. Die Menschen haben schon vor Tagen das Nötigste gepackt, damit sie kurzfristig die Häuser verlassen können. Alarmiert würden sie über eine Warn-App und Sirenen. 

Das Wasser der Lonza, das an der Staumauer Ferden ankommt, ist mit Sand und Abrieb aus dem Schuttkegel stark verschmutzt. Weil sich diese Sedimente im weiteren Verlauf der Lonza ablagern, sind in Gampel Bagger im Einsatz, um die Ablaufrinnen zu vertiefen. 

Die Einwohner von Blatten

Fels, Eis und Geröll haben das schon im 15. Jahrhundert schriftlich erwähnte Dorf Blatten auf rund 1.500 Metern Höhe fast vollständig unter einer meterhohen Schuttschicht begraben. Selbst der Kirchturm ragt nicht hinaus. Die meisten der wenigen verschont gebliebenen Häuser sind im angestauten Wasser der Lonza versunken. Die rund 300 Bewohner waren nach den Felsabbrüchen in Sicherheit gebracht worden. Nur ein Einheimischer hielt sich im Katastrophengebiet auf und wird noch vermisst. 

Die Einwohner sind anderswo im Tal oder bei Verwandten untergekommen. Viele nehmen die Hilfe von Psychologinnen und Psychologen in Anspruch, teilte der Verein Psychologische Nothilfe Oberwallis mit. Sie treffen sich regelmäßig. «Der Glaube an ein neues Blatten wurde gepflanzt», sagte Gemeindepräsident Bellwald. In Kürze werde er Pläne mit einem Zeithorizont für den Wiederaufbau vorlegen. «Wir brauchen keinen Pessimismus und Amtsschimmel, sondern pragmatische Lösungen», sagte er.


Bildnachweis: © Cyril Zingaro/KEYSTONE/dpa
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