Der Fall könnte sich zu einer der größten Mordserien im deutschen Gesundheitswesen entwickeln. Ein bereits inhaftierter Palliativmediziner soll mindestens 15 Menschen in Berlin getötet haben - deutlich mehr als zunächst angenommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat den 40-Jährigen nun wegen Mordes angeklagt, ermittelt zugleich aber noch in 75 weiteren Fällen. Der deutsche Arzt soll die Taten im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Pflegedienst in Berlin begangen haben. Palliativärzte begleiten schwerstkranke Menschen, um deren Schmerzen zu lindern. Die Anklage listet 15 Fälle in der Zeit vom 22. September 2021 bis zum 24. Juli 2024 auf. Ohne «medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Zustimmung» soll der Mediziner 12 Frauen und 3 Männern jeweils «ein tödliches Gemisch verschiedener Medikamente» verabreicht haben. Als erstes und jüngstes Opfer nennt die Anklage eine 25-Jährige, als ältestes eine 94 Jahre alte Frau. Mit der Anklage strebt die Staatsanwaltschaft neben einer Verurteilung wegen Mordes die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld an sowie eine anschließende Sicherungsverwahrung, wie Sprecher Sebastian Büchner sagte. Zugleich geht es ihr um ein lebenslanges Berufsverbot für den Arzt. Die Staatsanwaltschaft sieht nach monatelangen Ermittlungen niedrige Beweggründe und Heimtücke als Mordmerkmal. Zunächst hatte sie «Mordlust» als Hintergrund für die Taten genannt. Davon rückte sie ab, da der Arzt ausschließlich Patienten getötet haben soll und nicht willkürlich andere Opfer aussuchte, wie Büchner erklärte. Der beschuldigte Palliativarzt sitzt seit August 2024 in Untersuchungshaft. Damals war die Staatsanwaltschaft von 4 Opfern ausgegangen. Im Laufe der Ermittlungen, bei denen auch Leichen ausgegraben und von Rechtsmedizinern untersucht wurden, stieg die Zahl der mutmaßlichen Opfer: erst auf 8, dann auf 10 - nun gehen die Ermittler von 15 aus. Die Zahl könnte sich jedoch weiter erhöhen: Aktuell gibt es noch Ermittlungen in 75 Fällen, wie es von der Staatsanwaltschaft hieß. Es seien 5 weitere Exhumierungen geplant. Bislang wurden insgesamt 12 Leichen im Rahmen der Ermittlungen ausgegraben und gerichtsmedizinisch untersucht, wie der Behördensprecher mitteilte. Für den Fall wurde eine Ermittlungsgruppe des Morddezernats im Berliner Landeskriminalamt (LKA) eingerichtet. Diese hat Hunderte Unterlagen von Patienten des Mediziners ausgewertet. Dabei spielten auch Hinweise von anderen - etwa Pflegediensten - eine Rolle. Untersucht wurde auch, ob es Opfer in Köln und Frankfurt/Main geben könnte, wo der Mediziner früher gearbeitet hat. In Nordrhein-Westfalen war der Beschuldigte aber noch nicht als Palliativmediziner tätig, wie Büchner sagte. «Bei den Frankfurter Fällen wurden keine Auffälligkeiten festgestellt», so der Sprecher. Bestätigen sich die Vorwürfe gegen den Palliativmediziner in Berlin, könnte der Fall einer der größten bundesweit sein. Bislang gilt eine Mordserie in Niedersachsen als die wohl größte der deutschen Nachkriegsgeschichte: Ex-Pfleger Niels Högel wurde 2019 wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Motiv für die Taten blieb unklar. Es sei ihm um die «Gier nach Spannung» gegangen, so das Gericht damals. Zuvor war Högel bereits wegen weiterer Morde verurteilt worden. In Aachen steht derzeit ein Krankenpfleger vor Gericht, der in einer Klinik in Würselen reihenweise Patienten mit tödlichen Injektionen ermordet haben soll. Der Deutsche ist wegen neunfachen Mordes und 34-fachen Mordversuchs angeklagt. In Berlin wurde im Jahr 2007 eine ehemalige Krankenschwester der berühmten Charité wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Frau brachte ihre Opfer mit Medikamenten um. Die Ermittlungen gegen den Berliner Palliativmediziner wurden ausgelöst durch Brände, die er gelegt haben soll, um Tötungen von Patienten zu verdecken. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung mit Todesfolge. Dabei geriet zunehmend der Arzt in den Fokus. Dazu beigetragen haben laut Staatsanwaltschaft Hinweise des Pflegedienstes, für den der Beschuldigte gearbeitet hatte. Mitarbeiter des Pflegedienstes in Berlin zeigten sich bestürzt. «Wir waren erschüttert über das Ausmaß der Ermittlungen und sind es auch angesichts der aktuellen Erkenntnisse», teilte die Geschäftsführung mit. «Wir haben intensiven Anteil an der Aufklärung der Hergänge und kooperieren weiterhin bestmöglich mit der Staatsanwaltschaft.» Laut der Deutschen Stiftung Patientenschutz sind «Serienverbrechen gegen das Leben in der Pflege und Medizin» Einzelfälle. «Dahinter stecken oft Machtfantasien, Eigensucht und Selbstüberschätzung», erklärte Vorstand Eugen Brysch. Gerade im ambulanten Bereich hätten Täterinnen und Täter ein «zu leichtes Spiel», weil der Tod bei schwerstkranken Menschen nicht überrasche, so Brysch. Anders als in einer stationären Einrichtung seien Auffälligkeiten im mobilen Einsatz nur sehr eingeschränkt erkennbar.Lebenslanges Berufsverbot angestrebt
Weitere 75 Fälle werden geprüft
Ermittlungsgruppe prüft Hunderte Akten
Einer der größten Fälle bundesweit?
Brände bei Patienten lösen Ermittlungen aus
Bildnachweis: © Fabian Sommer/dpa
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Palliativarzt soll mindestens 15 Menschen ermordet haben
Ein Palliativmediziner in Berlin steht im Verdacht, Patienten getötet zu haben. Anfangs geht es um 4 Menschen, inzwischen um 15. Die Zahl könnte sich weiter erhöhen.
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